Samstag, 24. Januar 2009
 
Gegen Gesundheitsprivatisierung PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Rosalia Krenn   
Montag, 4. Februar 2008

Filmpräsentation mit anschließender Podiumsdiskussion zum Thema Gesundheitswesen und die Gefahren der zunehmenden Privatisierung.


Im „DAS KINO“ in Salzburg wurde am 30. Jänner der neue Film von Michael Moore zu den Auswirkungen des in den USA auf private, gewinnorientierte Gesundheitsfürsorge gestützte Versicherungssystem in seinen Folgen für die betroffenen erkrankten Menschen gezeigt. Anschließend fand dazu eine Podiumsdiskussion mit AK-Präsident Siegfried Pichler, Cyriak Schwaighofer (Die Grünen), Martin Rümmele (Journalist und Autor), Landeshauptfrau Gabriele Burgstaller und Gerlinde Rogatsch (ÖVP) statt, Elfriede Gieblinger moderierte. Eingeladen hatte zu dieser Veranstaltung die Arbeiterkammer Salzburg.

Im Film wurden etwa die Folgen der Methoden privater Versicherungsgesellschaften, sich im Krankheitsfall der betroffenen Menschen zu entledigen und die Praktiken, Kosten nicht zu Übernehmen, aufgearbeitet, oder beispielhaft die Art und Weise dokumentiert, wie Menschen ohne Kostendeckung behandelt bzw. nicht behandelt werden.

Die anschließende Podiumsdiskussion war den Tendenzen zur Privatisierung der Gesundheitsfürsorge, den Gefahren, die daraus resultieren und den Haltungen, die die eingeladenen PolitikerInnen in diesem Bereich entwickeln, gewidmet.

Martin Rümmele formulierte in seinem ersten Statement, dass in Österreich der private Gesundheitsausgabenanteil bei knapp 30% liege, nur zwei Länder der OECD, nämlich die USA und die Schweiz, lägen damit höher, die Tendenz zur zunehmenden Privatisierung von Gesundheitseinrichtungen steige. Aktuell sprach er die Teilprivatisierung des Krankenhauses Oberndorf (bei Salzburg) an. Cyriak Schwaighofer formulierte in seinem ersten Statement, dass es grundsätzlich nicht nur die medizinische Perspektive zu bedenken gelte, sondern die Sozialpolitik. Er betonte, dass Armut krank mache, Bildung und Bildungschancen damit in Zusammenhang stünden, dass Gesundheit Armutsbekämpfung und Herstellung von Chancengleichheit mit sich bringe. Er verwies explizit auf Menschen, die an den Rand gedrängt wurden und werden, Menschen, die über keine e-card verfügen, sowie auf die Dringlichkeit, allen Menschen Zugang zur medizinischen Versorgung zu verschaffen.

Für Frau Rogatsch stellen sich sogenannte neue Krankheiten wie Vogelgrippe oder Aids als Folgen der Globalisierung und als künftige Herausforderungen
dar. Die Landeshauptfrau Gabriele Burgstaller unterstrich die Bemühungen, allen Menschen Zugang zur Krankenversicherung gewähren zu wollen und bezog sich dabei etwa auf die Menschen, die Sozialhilfe beanspruchen.

Für Siegfried Pichler ist die Frage der Leistbarkeit eines funktionierenden Gesundheitssystems eine Frage des politischen Willens, er kritisierte die Zwei-Klassen-Medizin und machte die Kostensteigerung für Medikamente, von der nur die Pharmaindustrie profitiert, zum Thema.

In der ersten Publikumsrunde wurden folgende drei Aspekte angesprochen:
Wie soll der Umgang mit Menschen ohne e-card, etwa mit illegalisiert lebenden Menschen aussehen?
Was sind die Positionen zur medialen Skandalisierung der Tendenz zu längeren Krankenständen in der Lohnarbeitswelt und als wie bedrohlich wird die schleichende Privatisierung eingeschätzt?

Burgstaller bekennt sich zur medizinischen Grundversorgung für alle, auch für illegalisiert lebende Menschen, und möchte angesichts der Krankenstände an die Betriebsfürsorge anknüpfen. Zur Debatte um die Teilprivatisierung des Krankenhauses Oberndorf formulierte sie, dass es sich um einen privaten Teilhaber in der Betriebsgesellschaft handle, der 30 Millionen Euro in den Aufbau eines Rehab-Bereichs investiert, und sieht hierin auch Chancen.

Siegfried Pichler gab zu Bedenken, dass sich Private ihre Investitionen über Öffentliche Gelder zurückholen, gewinnorientiert arbeiten und sich dieser Umstand mittelfristig auswirken werde. Zu den Krankenständen merkte er an, dass diese problematisiert werden, seit 2002 von der damaligen Regierung der Solidaritätsfonds aufgelöst wurde, den die Arbeitgeber zu bestreiten hatten: damit sei das solidarische System im Bereich der Entgeltfortzahlungen aufgehoben worden.

Martin Rümmele merkte an, dass im Kontext der Krankenstände auch die
Frühpensionierungen stiegen, da psychische Erkrankungen zunehmen, er führte dies auf den gesellschaftlichen Druck in der Arbeitswelt zurück.

BetriebsrätInnen aus dem Gesundheitsbereich verdeutlichten, dass Gefahren der Privatisierung im Bereich der Rahmenbedingungen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter liegen, da mit steigender Privatisierung die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen einhergeht. Die PatientInnenvertretung betonte, dass in dieser Debatte die betroffenen Menschen den Mittelpunkt bilden sollten, denn das Hauptaugenmerk sollte sich an den Menschen orientieren, die Hilfe benötigen.

Zur Frage der finanziellen Aufwendungen vermeinte Frau Rogatsch, dass zunächst alle Einsparungspotentiale eruiert und genutzt werden sollten, bevor von weiteren Investitionen die Rede sein könnte, sie stützte sich auf ein Drei-Säulen-Modell, welches davon ausgeht, dass die öffentliche Hand niemand billiger kommt als ein „gesunder beitragszahlender Bürger“ und sieht diesen Baustein in Kombination mit staatlichen Maßnahmen und der Wirtschaft. Cyriak Schwaighofer unterstrich gegen Ende der Veranstaltung, dass der Vorsorgegedanke an Armutsbekämpfung und Bildungschancen anknüpfe, sowie ein solidarisches Gesundheitssystem mehr Leistung von den Vermögenden erfordert.

Martin Rümmele wurde unter anderem bekannt durch sein Buch „Kranke Geschäfte mit der Gesundheit“. Darin setzt er sich mit folgenden Fragen auseinander:
Warum erhöhen Krankenkassen Selbstbehalte und reduzieren gleichzeitig ihre Leistungen? Warum haben private Unternehmen wie Baukonzerne, Banken und Versicherungsriesen Interesse, Krankenhäuser oder Pflegeheime zu betreiben? Er zieht daraus folgende Schlussfolgerungen:
„Europas Gesundheitssysteme sind auf dem Weg zu amerikanischen Verhältnissen. Der Staat zieht sich zunehmend aus der Versorgung zurück. Stattdessen besetzen Privatunternehmen Schlüsselpositionen im Gesundheitswesen. Wer es sich leisten kann, bekommt weiterhin eine umfassende Versorgung. Andere müssen warten. Schon jetzt zahlen die Österreicherinnen und Österreicher fast ein Drittel aller Gesundheitsausgaben aus der eigenen Tasche - Tendenz steigend. In Deutschland gehören bereits 20 Prozent aller öffentlichen Krankenhäuser privaten Konzernen, die auch schon in Österreich Fuß gefasst haben. Kranke Geschäfte mit unserer Gesundheit zeigt diese Entwicklungen im internationalen Vergleich auf, stellt die Akteure im Liberalisierungskarussell vor und deckt deren Pläne und Netzwerke auf.“

Sein neues Buch trägt den Titel: Medizin vom Fließband. Die Industrialisierung der Gesundheitsversorgung und ihre Folgen : Gerhard Flenreiss und Martin Rümmele, Springer, Wien, Oktober 2007.



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